Wein-Knigge: Weingenießerinnen im Restaurant

Der Name Knigge verunsichert Menschen aller gesellschaftlichen Ebenen. Bekannt ist, dass es Regeln für gutes Benehmen gibt. Bekannt ist auch, dass Adolph Knigge einst ein Werk zum Umgang miteinander verfasste. Das war um 1788. Seither hat sich viel verändert, ein Grund für die heutige Unsicherheit.
Die Sicherheit zurück in den Alltag bringt die Expertin Susanne Helbach-Grosser, die nicht nur gutes Benehmen schätzt, sondern auch gern Wein genießt. Mit wichtigen Gedanken zum stilvollen Auftritt von Weingenießerinnen sorgt die Leiterin des Instituts „Takt & Stil“ aus Schwäbisch Gmünd dafür, dass der Genuss in der Öffentlichkeit keinen fahlen Beigeschmack bekommt.

Ein guter Einstieg
Jedem die Bestellung selbst zu überlassen, ist eine Möglichkeit, um die Gäste versorgt zu wissen. Stilvoll gelingt der Einstieg ins geschäftliche Treffen oder in das Beisammensein mit Bekannten, Freunden oder der Familie mit diesem Vorgehen nicht. Susanne Helbach-Grosser bevorzugt die Bestellung für alle durch die Einladende. Ist die Runde allerdings zu groß, lässt die Gastgeberin ihren Gästen den Vortritt. Einen gemeinsamen Rahmen kann sie dennoch schaffen, indem sie Empfehlungen ausspricht. In den Händen der Gastgeberin befindet sich auch die Weinkarte und mit ihr die wichtige Aufgabe, den Wein für die gesamte Runde auszuwählen. Natürlich sind die Vorlieben der Gäste dabei ein wichtiger Anhaltspunkt. Zuweilen unterbreitet ebenfalls der Sommelier des Hauses einen Vorschlag.

Die Rolle der Gastgeberin
In dieser besonderen Rolle betritt die Dame vor ihrer Begleitung das Lokal. Das signalisiert laut Frau Helbach-Grosser dem Personal, wer als Gastgeber die Verantwortung für die Weinauswahl und später die Rechnung übernimmt, selbst wenn sie offensichtlich als Paar unterwegs sind. Ganz in diesem Sinne erhält die Gastgeberin den ausgesuchten Wein zur Kostprobe. Sollte es passieren, dass einem männlichen Begleiter die Weinkarte oder gar die Verkostung anvertraut wird, ist das ein Fehler des Personals, dem die Institutsleiterin mit Taktgefühl entgegnet. Richtigstellen sollte die Einladende, dass sie die Ansprechpartnerin in Sachen Weinwahl ist. Aber warum nicht mit ein paar charmanten Worten dem Mitgenießenden die Kostprobe überlassen?
Wein kann aus verschiedenen Gründen nicht schmecken. Zum einen kann die Wahl einfach misslungen sein, sodass keine kulinarisch umwerfende Verbindung aus Wein und Speisen entsteht. Zum anderen überzeugen nicht alle Weine qualitativ. Die Pflicht der Gastgeberin ist es, den Wein in diesem zweiten Fall zu reklamieren. Ähnlich sieht die Fachfrau diesen Punkt in Bezug auf unstimmige Sommeliersempfehlungen. Schon vor dem ersten Kontakt mit dem geschmackvollen Flascheninhalt sollte die Gastgeberin zudem überprüfen, ob das Glas einwandfrei sauber ist und keinerlei Fremdgerüche beherbergt. Müffelt ihr Glas, wurden vermutlich alle anderen ebenfalls unsachgemäß aufbewahrt. Restaurants mit gehobener Weinkultur setzen auf die Avinierung der sauberen Gläser vor dem Trinken mit einem Schluck Wein. Die Gläser werden sozusagen mit Wein gespült. Fremdgerüche verfliegen und zurück bleibt das sich entfaltende Bouquet des gewählten Weines. Ein „weingrünes“ Glas ist das Ergebnis, das ungetrübte Aromen verspricht.
Sofern es nicht geschäftliche Kontakte sind, von denen sich die Gastgeberin mit einer halb geleerten Flasche im Arm verabschiedet, spricht nichts dagegen, einen hervorragenden, bereits angebrochenen Wein mit nach Hause zu nehmen. Die Flasche taucht schließlich auf der Rechnung auf, ob geleert oder nicht. Aber auch hier gehört eine höfliche Frage an das Personal zum Ton mit Stil.

Stilvolles Getränk, angemessener Auftritt
Ein grundlegender Verhaltenshinweis der Expertin: Aus welchem Grund sich Gastgeberin oder Gäste vom Tisch auch fortbewegen möchten, das Weinglas nehmen sie dabei nicht mit. Der begonnene Genuss ist dennoch nicht verloren. Auf besondere Bitte hin serviert das Personal möglicherweise sogar bis vor die Restauranttüren.
Selbst gewaschene Finger hinterlassen oft Spuren, denn ganz fettfrei sind sie nie. Solche Tapser umgeht man, indem die Finger vom Kelch fernbleiben. Doch wie lassen sich Lippenstiftspuren vermeiden? Deutlich weniger farbige Abdrücke hinterlassen Weingenießerinnen, wenn sie vor dem Trinken die Lippen diskret an der Serviette abtupfen und etwas befeuchten. Wichtig ist auch, den Kelch nicht ringsherum mit Farbtupfern zu schmücken, sondern immer an derselben Stelle des Glases anzusetzen.
Zwar kann niemand Parfümmissbrauch verhindern, doch für den eigenen gelungenen Auftritt zählt die Vorbildrolle. Stören die gut gemeinten Duftnoten anderer Personen sehr und steht ein weiteres kulinarisches Beisammensein in Aussicht, lohnt ein freundlicher Hinweis. Taktvoll wirkt es, die Kritik allgemein zu halten und ebenso auf sich selbst zu beziehen. Auch unter befreundeten Weingenießern gilt: Der Ton macht den Stil!

Das vollständige Interview veröffentlichte das Weinkulturmagazin Württemberger unter dem Titel „Wein-Knigge“ in der Ausgabe 1/11, auch einzusehen im Online-Pressebereich des Instituts.

 

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